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16.02.2011
100 Jahre Kreisky: Die Ära Kreisky: Teil 1

Nach seiner Wahl zum Vorsitzenden der SPÖ initiierte Kreisky die Kampagne „Für ein modernes Österreich", bei der er die legendären 1400 Experten aus allen Teilen der Gesellschaft einlud neuartige Konzepte für Bildungs-, Sozial-, Wirtschafts- und Rechtspolitik zu entwerfen. So vermittelte die SPÖ die Bereitschaft veraltete Strukturen aufzubrechen. Eine Tatsache, die sich an den erfolgreichen Ergebnissen bei Gemeinde- und Landtagswahlen zeigte.
Bei der Nationalratswahl 1970 schafften Kreisky und die SPÖ die Sensation: Die SPÖ wurde stimmenstärkste Partei und erreichte die relative Mandatsmehrheit. Die ÖVP hatte in dem Wahlkampf für den „echten Österreicher" Josef Klaus geworben und damit auf die jüdische Herkunft Kreiskys angespielt. Die SPÖ setzte voll auf die Bewerbung des Spitzenkandidaten, der gestärkt durch das Programm der „1400" Experten als moderne Alternative empfunden wurde und vor allem bei jungen Wählerschichten stark Punkten konnte.
Für viele überraschend kam es zu keiner Bildung einer großen Koalition. Mit dem Versprechen einer Wahlrechtsreform, die die Mandatsanzahl im Nationalrat von 169 auf 183 erhöhen würde, was sowohl SPÖ als FPÖ helfen sollte, konnte Kreisky die Duldung einer SPÖ Minderheitsregierung durch die Freiheitlichen erlangen. Allen Beteiligten war klar, dass diese Regierung nicht von Dauer sein konnte. Doch Kreisky und seine Minister wussten die Zeit zu nutzen: Der Wehrdienst wurde verkürzt, die Witwenpension angehoben und ein Mindesturlaub von 3 Wochen eingeführt, ein Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung errichtet und die Studiengebühren abgeschafft. Hertha Firnberg wurde als erste Sozialdemokratin Ministerin.
Schon zu Beginn der Ära Kreisky zeigte sich, dass der neue Bundeskanzler auf eine neue, junge Funktionärsriege setzen würde. Hannes Androsch, der Finanzminister wurde, Heinz Fischer und Karl Blecha sind wahrscheinlich die bekanntesten Vertreter. 1976 wurde Hannes Androsch Vizekanzler. Allgemein war vermutet worden, dass Kreisky die „Grande Dame" der österreichischen Sozialdemokratie, Hertha Firnberg zur Vizekanzlerin machen würde, doch Kreisky lehnte dies mit den Worten: „Alt bin ich selber auch" ab.
Der Reformkurs zahlte sich aus: 1971 erreichte die SPÖ die absolute Mehrheit und konnte diese 1975 und 1979 eindrucksvoll ausbauen. Auffällig war, dass Kreisky und die SPÖ Wählerschichten ansprachen, die früher eher bürgerlichen Parteien zugetan waren. Dies hatte zum einen mit der überragenden Präsenz Kreiskys zu tun, zum anderen aber auch mit der ideologischen Öffnung der SPÖ und der auf Raten erfolgten Aussöhnung mit der katholischen Kirche unter Kardinal Franz König. Wenn auch keinesfalls widerspruchslos akzeptiert, honorierten die Menschen offensichtlich die Reformfreudigkeit der Kreiskyregierungen.
Justizminister Christian Broda initiierte Straf-, Familien- und Arbeitsrechtsreformen, die teilweise hoffnungslos veraltete Gesetze zeitgemäß erneuerten. Beispielsweise sei der Slogan „Besserung nicht Strafe", die Emanzipation der Frau im Steuerausgleich und das Urlaubszeit-gesetz und das Arbeitsverfassungsgesetz genannt.
Der Zugang zu höherer Bildung wurde für einkommensschwache Familien durch kostenlose Schulbücher und Abschaffung des Schulgelds erleichtert. Der Sozialstaat wurde stark ausgebaut - so wurden beinahe alle ÖsterreicherInnen in die Sozialversicherung integriert. Die Arbeitszeit wurde schrittweise verkürzt und durch die paritätische Preiskommission sichergestellt, dass die durchgesetzten Lohnerhöhungen nicht durch Preissteigerungen aufgefressen werden.
International genoss die Regierung Kreisky vor allem durch ihre vermittelnde Rolle in globalen Konflikten hohes Ansehen. Kreisky versuchte immer wieder im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu vermitteln und bereiste dafür immer wieder den nahen Osten. Mit Anwar al Sadat, Yassir Arafat und Uri Avneri entwickelten sich enge Kontakte und Freundschaften.
Trotz der Ablehnung des Atomkraftwerks Zwentendorf erreichte die SPÖ 1979 ihr bestes Ergebnis bei Nationalratswahlen. Der „Sonnenkönig" Kreisky stand am Zenit seiner Karriere.
Nächster Teil: Die Ära Kreisky: Teil 2. Konflikte und Widersprüche.
Albert Scheiblauer
Quelle: Petritsch Wolfgang. Bruno Kreisky. Die Biografie.